Eine Zusammenfassung des Beitrags von Samantha Fawkner, Ailsa Niven, Steven Hanson, Chloë Williamson, und Coral L Hanson aus dem BMJ [1]
Die Corona-Pandemie ist mit vielen Herausforderungen und Ängsten verbunden, sowohl für Eltern als auch für Kinder und Teenager. Das tägliche normale Leben ist beinahe nicht mehr wiederzuerkennen. Arbeit und Homeschooling-Phasen müssen organisiert werden, dabei darf jedoch auch das Familienleben nicht zu kurz kommen. Gerade jetzt, ist es wichtiger denn je, dafür zu sorgen, dass Kinder und Jugendliche sich ausreichend körperlich bewegen, nicht nur, um körperlich gesund zu bleiben, sondern auch, um die mentale Gesundheit zu garantieren. Größtenteils zuhause „eingesperrt“ zu sein, bedeutet für Kinder und Jugendliche, dass sie einen neuen normalen Alltag erschaffen müssen. Die sonst üblichen Aktivitäten, wie Sportunterricht, Breitensport, Freizeitprogramme, draußen spielen und aktives Reisen fallen auf einmal alle weg. Das muss erst einmal kompensiert werden. Erschwerend kommt die zunehmende „Screen Time“, die Kinder und Jugendliche vor dem Bildschirm grundsätzlich sitzend verbringen hinzu. Zusätzlich zum Online-Unterricht werden Fernseher, Tablet oder Spielkonsolen zur Freizeitbeschäftigung und teilweise sogar zum digitalen Babysitting genutzt, denn viele Eltern sind einfach überfordert. Sie müssen irgendwie ihr tägliches Pensum erfüllen und setzen ihre Kinder mehr oder weniger freiwillig vor den Fernseher oder das Tablet, um ungestört ihre Arbeit verrichten zu können.
All diese Faktoren verdeutlichen, wieso es gerade jetzt essenziell ist, die Kinder und Jugendlichen dazu zu motivieren, sich auch zuhause mehr zu bewegen und aktiv zu sein.
Wieviel Bewegung?
Junge Menschen sollten sich täglich insgesamt mindestens 60 Minuten mit moderater Intensität bewegen, um gesund zu bleiben. Studien belegen, dass diese Bewegungsrichtlinie zur Gesunderhaltung und zur Vermeidung von kardiovaskulären Erkrankungen und zum Erhalt der Knochengesundheit, Muskelfitness und einem gesunden altersgerechten Gewicht beiträgt [2]. Zudem gibt es Evidenz dafür, dass eine erhöhte körperliche Aktivität mit einer verbesserten mentalen Gesundheit, verbesserter kognitiver Funktion, einem gesteigerten Selbstbewusstsein und einer Reduktion depressiver Symptome bei jungen Menschen assoziiert ist [3, 4]. Wie auch bei Erwachsenen kann bei Kindern und Jugendlichen mittels körperlicher Aktivität ein Wohlgefühl-Effekt und eine Lösung von Ängsten erzielt werden. Die täglichen 60 Minuten Aktivität müssen nicht auf einmal geschehen. Die Zeit kann auch in kurze Aktivitätsphasen unterschiedlicher Intensität unterteilt sein. Über die Woche verteilt, sollten sich die Aktivitäten abwechseln und unterschiedliche Fokusse haben. Einerseits sollten die Muskeln und Knochen beansprucht werden. Hier bieten sich Yoga und auch verschiedene Sprungtechniken an. Andere Aktivitäten sollten wiederum die Bewegungsfähigkeiten, wie Balance, Koordination und Körperwahrnehmung ansprechen.
Welche Art von Bewegung?
Grundsätzlich gilt: Jede Art von Bewegung ist gut! Ideen sind hier keine Grenzen gesetzt. Von klassischem Versteckspiel, Fangen, zu Musik tanzen bis hin zu kreativen Ideen, wie zum Beispiel einen Hindernis-Parkour erfinden, Luftballon-Volleyball, Jonglieren lernen, einen Action-Film selbst drehen, alles ist erlaubt und erwünscht. Es gibt online viele altersgerechte Aktivitäten und Programme zu finden.
Yoga ist eine weitere ausgezeichnete Möglichkeit all die wichtigen oben genannten Bereiche anzusprechen und das Beste daran ist, dass es einfach von zuhause aus möglich ist. Hier gibt es auch bereits zahlreiche kindgerechte Angebote online.
Am wichtigsten ist Abwechslung, um das Interesse der Kinder und Jugendlichen aufrecht zu erhalten. Alternierende Aktivitäten und das Hinzufügen immer neuer Ideen erhalten die Begeisterung. Auch wenn 60 Minuten ideal wären, darf dabei nicht zu viel Druck entstehen. Jede Bewegung zählt und manchmal werden es weniger Minuten sein, dafür eben an anderen Tagen etwas mehr.
Pausen mit Bewegung füllen
Es ist sinnvoll die Homeschooling-Sessions durch Bewegungen zu unterbrechen. Da durch Bewegung die kognitiven Fähigkeiten gesteigert werden, können die Kinder hinterher zielgerichteter und konzentrierter an ihren Schularbeiten sitzen. Vor allem Grundschülern fällt es sowieso schwer, einen längeren Zeitraum am Stück still zu sitzen. Da bieten sich regelmäßige Pausen in Form von Bewegungen bestens an. Es ist erwiesen, dass die Kombination aus physischer Aktivität und Lernen kognitive Vorteile birgt [5]. Darüber hinaus kann so Lernen auch Spaß machen – vor allem mit jüngeren Kindern. Spiele wie „Simon says“ und die deutschen Pendants „Kommando Pimperle“ und“ alle Vögel fliegen hoch“ können beispielsweise in Mathematik-Spiele umgewandelt werden. Dann sagt Simon eben: Spring 4+5 Mal in die Höhe. Oder die Kinder rollen einen Würfel und jede Augenzahl steht für eine andere Aktivität (ein Burpee, ein Liegestütz, ein Hampelmann-Sprung, eine Minute auf dem linken bzw. rechten Bein balancieren usw.). Kinder lieben Luftballons. Also hin und her spielen und die Anzahl der Treffer zählen ohne, dass der Ballon auf dem Boden aufkommen darf. Ebenso viel Spaß kann es machen, Wörter so schnell es geht zu buchstabieren und Objekte im Haus oder der Wohnung finden, die mit demselben Anfangsbuchstaben beginnen. Die Möglichkeiten sind tatsächlich unbegrenzt. Eine weitere Überlegung ist, Stehtische für die Kinder zu konstruieren, damit sie zwischen Sitzen und Stehen, während ihrer Homeschooling-Sessions abwechseln können.

Wie man die Kinder motiviert
Auch wenn Eltern die besten Absichten haben und ihre Kinder motivieren möchten, geht das leider oft schief. Am besten klappt es die Kinder und Jugendliche zu motivieren, indem man sie in spaßige und unterhaltsame Aktivitäten einbindet.
Hier kommen die drei K’s ins Spiel: Kompetenz, Kontrolle und Konnektivität.
Kompetenz: Menschen sind grundsätzlich motivierter Aktivitäten durchzuführen, die sie beherrschen. Dementsprechend sollten die Aktivitäten so gewählt sein, dass die Kinder sie meistern können, dabei jedoch auch gefordert werden. Falls die Aktivitäten zu leicht sind, sollten die Kinder miteinbezogen werden, inwiefern sie anspruchsvoller gestaltet werden können. Ganz wichtig ist das Feedback der Eltern. Denn positives Feedback der Eltern generiert Kompetenzgefühle in den Kindern. Dabei sollte der Fokus darauf liegen, zu betonen, was die Kinder besonders gut gemacht haben. Vergleiche mit Geschwistern sollten vermieden werden, denn das ist kontraproduktiv. Die Kinder sollten dazu motiviert werden, sich selbst erreichbare Ziele zu setzen und ihren eigenen Fortschritt zu dokumentieren. Vielleicht wäre dies auch der richtige Zeitpunkt, um die Kinder auch einmal Wearables und Apps zum Tracken von Aktivität ausprobieren zu lassen. Bisher gibt es dazu keine Studien, aber vielleicht bietet das den Kindern ja eine gute Möglichkeit, ihre eigenen Ziele setzen und dann auch verfolgen zu können.
Kontrolle: Kinder sollten in den Prozess der Entscheidungsfindung mit einbezogen werden. Zudem ist es wichtig, ihnen die Möglichkeit zu geben, selbst eine Wahl zu treffen. Die Kinder sollten so zum Beispiel die Aktivität, die sie durchführen, wann und mit wem sie diese ausführen, selbst aussuchen dürfen. Auch sogenannte „Kids in charge“ also die „Kinder übernehmen die Führung“-Sessions sollten ausprobiert werden. Das Gefühl „Kontrolle zu haben“ wird dadurch verstärkt, dass den Kindern ein Grund dafür genannt wird, weshalb sie aktiv sein sollen. Dabei sollten unmittelbare Effekte zur Sprache kommen, wie: Es wird Spaß machen und hinterher werden wir uns alle besser fühlen! Wörter wie müssen und sollen sind nicht hilfreich.
Konnektivität: In diesem Zusammenhang bedeutet dies, sich unterstützt und mit anderen verbunden zu fühlen. Für manche Kinder kann dies durch aktive Teilnahme der Eltern an den Aktivitäten erreicht werden. So fühlen sie sich kompetent und in Kontrolle. Aktive Teilhabe und Spaß dabei zu erleben, zeigt positives Verhalten und kreiert einen Fokus der Familienzeit. Für manche Kinder, vor allem Jugendliche kann es hilfreich sein, mittels gemeinsamer Aktivitäten online oder über das Telefon mit Gleichaltrigen verbunden zu sein und sich auszutauschen.
Die drei K’s sollen an dieser Stelle eine Hilfe und Richtlinie darstellen. Wohl kein Elternteil wird dazu in der Lage sein, sie alle drei gleichzeitig zu 100 Prozent anzuwenden und das ist vollkommen in Ordnung. In diesen Zeiten ist es vor allem wichtig, nicht zu streng mit sich selbst oder denKindern und Jugendlichen zu sein. Viele Erwachsene haben Gefühle von Unsicherheit und Emotionalität und genauso geht es den Kindern und Jugendlichen.
Wenn es also mal nicht klappt mit der geplanten Aktivität, dann einfach ein anderes Mal erneut probieren. Wichtig ist vor allem: nicht aufgeben!
1. Physical activity for children and young people aged 5-18 years during COVID-19. Stay safe; be active. 2020. Samantha Fawkner, Ailsa Niven, Steven Hanson, Chloë Williamson, und Coral L Hanson. BMJ. Online Zugriff am 28.11.2020.
2.Department of Health and Human Services. 2018 Physical Activity Guidelines Advisory Committee Scientific Report [date accessed April 2020] https://health.gov/sites/default/files/2019-09/PAG_Advisory_Committee_Report.pdf; 2018
3.Biddle SJH, Ciaccioni S, Thomas G, et al. Physical activity and mental health in children and adolescents: An updated review of reviews and an analysis of causality. Psychol Sport Exerc 2019;42:146-55. doi: 10.1016/j.psychsport.2018.08.011
4.Dale LP, Vanderloo L, Moore S, et al. Physical activity and depression, anxiety, and self-esteem in children and youth: An umbrella systematic review. Ment Health Phys Act 2019;16:66-79. doi: 10.1016/j.mhpa.2018.12.001
5.Daly-Smith AJ, Zwolinsky S, McKenna J, et al. Systematic review of acute physically active learning and classroom movement breaks on children’s physical activity, cognition, academic performance and classroom behaviour: understanding critical design features. BMJ Open Sport Exerc Med 2018;4(1):e000341. doi: 10.1136/bmjsem-2018-000341