Regelmäßiges Laufen stellt eine – im Vergleich zu anderen Sportarten – günstige Alternative dar, um die Gesundheit zu fördern. Hierbei zeigen sich positive Effekte nicht nur auf körperlicher Ebene, wie zum Beispiel der Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder der Steigerung diverser Stoffwechselfunktionen. Auch die mentale Gesundheit kann durch regelmäßiges Lauftraining messbar gefördert werden (1).
Läufer und (chronische) Schmerzen
Allerdings kann durch die falsche Lauftechnik das Risiko muskuloskelettaler Erkrankungen ansteigen, wobei die Prävalenz einer Verletzung zwischen 18 und 92 Prozent liegt (2,3). Viele Läufer erfahren eine Persistenz laufbezogener Schmerzen. Diese kann durch diverse physische wie auch nicht-physische Faktoren erklärt werden. Bei der Behandlung verletzter Läufer durch Physiotherapeuten kommen verschiedene Therapieformen zum Einsatz. Häufig wird Trainingstherapie angewendet oder Einlagen & Orthesen werden individuell angepasst. Aber auch die Modifikation des Schuhwerks oder Taping ist gängige Praxis (4,5,6,7). In vielen Fällen tritt trotz Behandlung eine Chronifizierung der laufbedingten Verletzung ein (8).

Lauftechniktraining als Lösung
Damit dies nicht geschieht ist korrektes Lauftechniktraining unabdingbar. Darunter versteht man das Trainieren einer korrekten Lauftechnik beziehungsweise die Modifikation des persönlichen Laufstils des verletzten Läufers. Lauftechniktraining ist definiert als die Implementation jedes Cues (Hinweises) die Lauftechnik des Individuums zu verändern. Die am häufigsten analysierten Techniken sind hierbei die Erhöhung der Schrittfrequenz, wie zum Beispiel der Übergang von Rückfuß- zu Vorfußbelastung oder die Vergrößerung der Spurbreite, „weicheres Laufen“, Veränderung der proximalen Mechanik und neuromotorische Cues zur Aktivierung der Muskeln. (9)
Bisher wurden nur wenige Studien zur Untersuchung von Lauftechniktraining durchgeführt. Frühe Ergebnisse zeigten jedoch Erfolg bei Läufern mit Ermüdungsschmerzen am vorderen Unterschenkel (9, 10,11) und bei patellofemoralen Schmerzen (9, 12, 13). Zwei voneinander unabhängige kontrollierte randomisierte Studien hinsichtlich Lauftechniktraining bei patellofemoralen Schmerzen resultierten in konträren Ergebnissen. (14,15). Gründe hierfür könnten einerseits unterschiedliche Informationen bezüglich des Belastungsmanagements während des Laufens gewesen sein (Edukation versus keine Edukation). Andererseits wäre die Anwendung differenzierter Modifikationen der Lauftechnik eine weitere denkbare Ursache für die Beobachtung unterschiedlicher Resultate.
Das Lauftechniktraining sollte sich grundsätzlich immer an der „RISK“-Formel orientieren:
- R: Reduktion der Gesamtbelastung (Reduce overall load)
- I: Steigerung der Kapazität zur Verringerung von Belastungen (Improve capacity to attenuate loads)
- S: Verteilung der Belastung (Shift loads)
- K: Fortlaufende Anpassung an die Ziele und Kapazität des Läufers (Keep adapting to the runner’s goals and capacity) (16)
Zum aktiven Läufertraining können auch weitere oben genannte passive Maßnahmen addiert werden. Dazu zählen unter anderem Taping, Modifikation des Schuhwerks und individuell angepasste Einlagen.

Richtlinien des Lauftechniktrainings: RISK
Reduktion der Gesamtbelastung
In der frühen Phase der Rehabilitation sollte der Fokus auf der Reduzierung der Gesamtbelastung liegen. Dieser Schritt ist sicherlich am einfachsten und sichersten umsetzbar. Hierzu zählt zum Beispiel die Reduktion der Laufbelastungen, wie der zeitliche Abstand der Trainingseinheiten. Die Verminderung der Laufgeschwindigkeit bietet eine weitere Alternative. Weiterhin ist die Erhöhung der Schrittfrequenz eine denkbare Möglichkeit. (16) Hierbei ist jedoch zu beachten, dass dies zwar zu einer Verringerung der Gesamtbelastung führt, im Gegenzug aber häufig eine Zunahme der Anforderungen an die Gesäßmuskulatur, Hamstrings und Trizeps surae während der „late swing Phase des Sprintens“ zu beobachten sind (17).
Steigerung der Kapazität zur Verringerung von Belastungen
Bei diesem Punkt bedarf es einer sorgfältigen Anleitung durch den Therapeuten und einer hohen Adhärenz und Zeitinvestition des Läufers, um Erfolg zu zeigen. Als sichere Strategien werden Bewegungstherapie und eine stufenweise Erhöhung der Lauflasten betrachtet. Diese müssen jedoch korrekt umgesetzt werden. (16)
Verteilung der Belastung
Teilweise ist im Zuge der Behandlung die Verlagerung von Lasten abseits des verletzten Gewebes sinnvoll und erwünscht. Vorteil dieser Strategie ist die sofortige Implikation. Dieser Schritt sollte jedoch mit Bedacht und Vorsicht angewendet werden, um keine neuen andersartigen Verletzungen hervorzurufen. Beispiele hierfür sind unter anderem eine verringerte Belastung auf die Knie, welche jedoch mit einer steigenden Belastung des Knöchels und Fußes einhergeht oder der Übergang vom Rückfußlauf zum Vorfuß- oder Mittelfußlauf. (16)
Fortlaufende Anpassung an die Ziele und Kapazität des Läufers
Auch wenn der Therapeut die Behandlung steuert und vorgibt, müssen zu jedem Zeitpunkt der Behandlung die individuellen Ziele, Wünsche, die Veränderungsbereitschaft und die Kapazität des Läufers mit in den Therapieplan einbezogen werden. Je nach Zeitpunkt sind dementsprechend unterschiedliche Strategien zur Modifikation der Lauftechnik angezeigt und vom Athleten gewünscht. Diese werden sich unterscheiden je nachdem, ob es sich um die Zeit nach Abschluss eines Rennens oder Wettkampfes oder nach Abschluss der Saison handelt. Damit ausreichende Belastbarkeit der Fuß- und Knöchelmuskulatur für den Übergang zu Vorfuß- oder Mittelfußlauf erreicht wird, ist hier die Durchführung eines Kräftigungs- und Konditionierungsprogramms nur eines von vielen Beispielen für eine mögliche zu implementierende Strategie. (16)
Literatur
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- Barton, C J. 2018. Managing RISK when treating the injured runner with running retraining, load management and exercise therapy. Physical Therapy in Sport. Vol 29: 79-83.
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