Die Rückkehr zum Sport nach Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes
Das Auftreten einer vorderen Kreuzbandruptur tritt hauptsächlich bei Sportlern zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr auf und in Sportarten wie Fußball, Handball und Skifahren. Jedes Jahr ziehen sich etwa drei Prozent der Amateursportler eine Ruptur zu, während es bei den Profiathleten etwa 15 Prozent sind. Frauen sind zudem deutlich häufiger betroffen (van Melick et al. 2016).
In den vergangenen Jahren konnte sich daher zunehmend die Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes (anterior cruciate ligament, ACL) durchsetzen. Dieses Vorgehen kann damit begründet werden, dass sich zum einen die diagnostischen Möglichkeiten verbessert haben, eine vordere Kreuzbandruptur zu erkennen, und zum anderen damit, dass sich die Leistung in vielen Sportarten intensiviert hat. So sind beispielsweise die Zweikämpfe im Fußball härter geworden und die Frequenz der Geschwindigkeit bei kurzen Sprints hat enorm zugenommen. Insbesondere sollte das vordere Kreuzband dann rekonstruiert werden, wenn eine Instabilität vorliegt, die nicht therapierbar ist oder wenn aufgrund sportlicher Ansprüche ein starkes Kniegelenk erforderlich ist. Die Rekonstruktion kann im Wesentlichen dazu beitragen, dass die Lebensqualität des Patienten verbessert wird und sportliche Leistungen wiederaufgenommen werden können. Trotz dieser Vorteile ist die Rekonstruktion kein ungefährliches Unterfangen. Studien konnten herausstellen, dass die kurz- und langfristigen Konsequenzen dieser Vorgehensweise Muskelschwäche, Funktionsdefizite, geringere Sportbeteiligung sowie ein erhöhtes Risiko einer Knieverletzung und Kniearthrose sein können. Darüber hinaus sind rund 30 Prozent der jungen Patienten, die sich einer Rekonstruktion unterziehen, von einem zweiten ACL-Bruch betroffen, was infolgedessen zu einer schlechten Lebensqualität führt (Grindem et al. 2016).
Insbesondere Elite-Sportler sehen diesen möglichen Ereignissen kritisch entgegen. Aktuellere Untersuchungen zeigen, dass rund 35 Prozent der betroffenen Sportler nach zwei Jahren nicht vollständig ihre vorherigen Leistungen erreichen konnten. Neben der körperlichen Erholung spielen an diesem Punkt auch psychische Faktoren eine wichtige Rolle, denn häufig haben die Athleten Angst vor weiteren Verletzungen (van Melick et al. 2016). Allerdings konnte Lai (2017) herausstellen, dass 83 Prozent der untersuchten Profisportler zu ihren sportlichen Leistungen zurückkehren konnten. Die meisten Athleten, die zum Sport zurückkehrten, spielten vergleichbar gut wie diejenigen, die unverletzt waren. Die Prognosen für eine Rückkehr stehen demzufolge nicht schlecht. Dabei wird jedoch in der Literatur kontrovers darüber diskutiert, wie die Rehabilitation der ACL erfolgen kann und ab welchem Zeitpunkt ein Athlet seine Aktivitäten wiederaufnehmen kann.
Die Frage der Rückkehr zum Sport
Das Ziel der ACL besteht darin, die betroffenen Personen möglichst schnell wieder in ihre sportlichen Tätigkeiten zu integrieren. In diesem Zusammenhang sind die Möglichkeiten, wie und wann zum Sport zurückgekehrt werden kann, nicht einheitlich definiert und basieren auf dem Wettkampfniveau, den Zielen des Patienten sowie dem Sportniveau, welches nach der Rekonstruktion erreicht werden soll. In Abhängigkeit dieser Variablen kann davon ausgegangen werden, dass ein Rückgang zum Sport etwa drei bis zwölf Monate nach der Operation erfolgen kann (McGrath et al. 2017). Bislang existieren jedoch nur geringe Belege dazu, wann eine Rückkehr möglich ist (Grindem et al. 2016). An dieser Stelle ist es jedoch zunehmend problematisch, geeignete objektive Leistungstests zu verwenden, die eine sichere Rückkehr bestimmen können. McGrath et al. (2017) stellten sich daher die Frage, wie stark die Beziehung zwischen spezifischen objektiven Funktionstests (isokinetische Kraftprüfung der Kniesehne und Oberschenkelmuskulatur, Einbein-Hop-Test, vertikale Bodenreaktionskraft und Höchstgeschwindigkeit während des Laufens) und der Rückkehr zum Sport ist. Die Autorengruppe untersuchte daher 64 Patienten, die sich einer ACL-Rekonstruktion unterzogen hatten, und kam zu dem Ergebnis, dass die stärkste Korrelation zwischen Funktionstests und der Rückkehr zum Sport die Leistungsvariable der „Höchstgeschwindigkeit während des Laufens“ darstellt. Hohe Korrelationen wurden auch für die Variablen „isokinetische Oberschenkelkraft“ und „Hop-Test für die Distanz“ beobachtet. Die Autoren fordern, dass diese Testverfahren dabei berücksichtigt werden, wenn Empfehlungen zur Rückkehr in den Sport ausgesprochen werden. Darüber hinaus müssen die Kriterien für bestehende Tests überprüft werden.
Grindem et al. (2016) untersuchten zudem das erneute Verletzungsrisiko auf dem Weg zur Rückkehr in die sportlichen Tätigkeiten. An dieser prospektiven zweijährigen Kohortenstudie nahmen 106 Patienten teil. Dabei wurden die Sportbeteiligung und die Kniefunktion monatlich ausgewertet. Diese Studie konnte zeigen, dass eine deutlich erhöhte Neuverletzungsrate bei denjenigen Patienten auftrat, die bereits das anfängliche Sportniveau erreicht hatten. In jedem weiteren Monat, in welchem das Niveau nicht erreicht wurde, konnte das Risiko um über 50 Prozent reduziert werden. Hieraus schließen Grindem et al (2016), dass bis zur Rückkehr mindestens neun Monate nach der Rekonstruktion gewartet werden sollte, um das Risiko zu minimieren. Infolgedessen wird die Frage aufgeworfen, an welche Richtlinien sich Experten halten sollten, wenn es um den Aspekt der Rehabilitation geht.
So führten van Melick et al. (2016) eine systematische Literaturauswertung durch, um Beweise für die Rehabilitation nach ACL-Rekonstruktion zu identifizieren und hierauf aufbauend Leitlinien zu verfassen. Hierzu wurde nach Meta-Analysen, systematischen Reviews, randomisierten kontrollierten Studien und prospektiven Kohortenstudien, die zwischen Januar 1990 und Juni 2015 veröffentlicht wurden, gesucht. Neunzig Studien wurden als Grundlage für die Evidenzaussage aufgenommen. Die Rehabilitation nach ACL-Rekonstruktion sollte eine Prehabilitationsphase und drei kritisch orientierte postoperative Phasen umfassen: (1) beeinträchtigungsbasierte Phase, (2) sportspezifische Ausbildung und (3) Rückkehr zum Sport. Die Qualität der Bewegung und die Verwendung von psychologischen Tests sollten beachtet werden, um von einer Rehabilitationsstufe zur nächsten fortzuschreiten. Dabei verweisen die Autoren darauf, dass die postoperative Rehabilitation für neun bis zwölf Monate fortgesetzt werden sollte. Um die Bereitschaft zur Rückkehr zum Sport und das Risiko für eine erneute Verletzung zu beurteilen, sollte eine Testbatterie, einschließlich Festigkeitstests, Hop-Tests und Messung der Bewegungsqualität, verwendet werden (van Melick et al. 2016).
Aufgrund dieser Erkenntnisse sollten Empfehlungen zum Wiedereinstieg in die sportlichen Leistungen nicht frühzeitig gegeben werden, und schon gar nicht ohne vorherige Beurteilung des Verletzungsrisikos durch die beschriebenen Testverfahren. An dieser Stelle kann gefordert werden, dass für den Bereich der Rehabilitation einheitliche Leitlinien entwickelt werden müssen, die den Entscheidungsträgern die Empfehlungen erleichtern.
Literaturangaben
Grindem, H., Snyder-Mackler, L., Moksnes, H. et al. (2016): Simple decision rules can reduce reinjury risk by 84% after ACL reconstruction: the Delaware-Oslo ACL cohort study. Br J Sports Med, 50, S. 804-808.
Lai, C., Ardern, C., Feller, J., Webster, K. (2017): Eighty-three per cent of elite athletes return to preinjury sport after anterior cruciate ligament reconstruction: a systematic review with metaanalysis of return to sport rates, graft rupture rates and performance outcomes. Br J Sports Med, 0, S. 1-10.
Melick van, N., Cingel van, R., Brooijmans, F. et al. (2016): Evidence-based clinical practice update: practice guidelines for anterior cruciate ligament rehabilitation based on a systematic review and multidisciplinary consensus. Br J Sports Med, 50, S. 1506-1515.
McGrath, T., Waddington, G., Scarvell, J. et al. (2017): An Ecological Study of Anterior Cruciate Ligament Reconstruction, Part 2. Functional Performance Tests Correlate With Return-to-Sport Outcome. The Orthopaedic Journal of Sports Medicine, 5(2), S. 1-9.